4. August 2019

Mauern: Warum ich eine Zwischenwand wieder hochziehe

Ich muss wirklich zu viel Zeit haben oder völlig verrückt sein.
Erst reiße ich jahrelang Wände ein. Nun mauere ich eine Wand wieder hoch.

"Warum tut sie das nur?!?" Fragt sich vermutlich nicht nur meine Tochter, die großen Spaß am Staub hatte, der beim Schneiden der Planziegel entstanden ist und wirklich hübsch und rot aussah. "Feuer! Heiß!" meinte sie dazu. Nein, mein Schatz, nur etwas staubig :)




Der Ausgangszustand - Wand raus!

Ich hatte 2011 die Wand zwischen Wohnzimmer und Küche fast komplett entfernt. 
Der Architekt, der mich damals beraten sollte, meinte zu meiner Frage ob die Wand nun tragend sei und ich sie rausnehmen könne: "Stützen Sie die Decke ab und probieren sie es aus." Danke für das Gespräch. Rechnung kam dann allerdings auch keine. Immerhin.

Man sieht wo mal eine Wand stand. Die letzten Jahre waren hier Eichenbalken verbaut, die aber keine tragende Funktion übernommen hatten, daher: Ausgebaut und gescheit gemacht.


Mein Wissen bis zu diesem Zeitpunkt: Wenn eine Wand nicht vom Sockel (Keller) bis zum Dach an der gleichen Stelle nach oben durchgemauert ist, ist sie nicht tragend und kann raus.

Von tragenden und nicht-tragenden Wänden

Nun bin ich seit 2 Jahren Mama und für dieses kleine, süße Menschenmädchen und deren Gesundheit und Leben verantwortlich. Dies führte dazu, dass ich mich nochmal mit dieser fehlenden Wand, die mir nie so 100%ig geheuer war, auseinanderzusetzen.

Heute weiß ich: als erstes sollte man herausfinden wie die Deckenbalken verlaufen (falls man eine Balkendecke hat). Der Verlauf der Deckenbalken kennzeichnet schonmal sehr schön wie die Lasten des Hauses verteilt werden.
Auch sollte man sich anschauen, wie die Last des Daches nach unten abgetragen wird. In meinem Falle liegen Karl-Erwins Sparren auf den Außenwänden auf ohne im First durch vertikale Balken gestützt zu werden.

Bei mir sieht es in etwa so aus wie unten auf dem Bild. Es gibt einen Haupttragebalken (hier horizontal) mitten im Haus. Um den Kamin herum mit Wechseln. Und die darauf liegenden Deckenbalken (hier vertikal). Die rot getrichelte Linie ist die rausgenommene Wand. Andere Innenwände habe ich hier nicht weiter eingezeichnet. Man könnte nun meinen, dass alle Innenwände, welche parallel zu den Deckenbalken verlaufen, nicht tragend sind. Denn die Decke wird ja von den Deckenbalken gehalten und die liegen auf dem Haupttragebalken in der Mitte auf. Ist leider nicht ganz so einfach.

Kleines Statik 1x1

Die Außenwände sind immer tragend. Klar. In meinem Falle doppelt klar, denn auf den Außenwänden liegt das Dach auf.

Die mittlere (hier horizontale Wand) ist auch tragend. Sie trägt den fetten Balken, der dann wiederum die Deckenbalken zum nächsten Geschoss trägt.

Weder im Stockwerk unter (Keller) noch über (1. OG) der entfernten Wand steht direkt eine andere Wand. 
Ergo: Nicht tragend. Also alles prima. 

Hmm, nicht ganz, denn es gibt neben nicht-tragenden und tragenden Wänden auch noch....

... aussteifenden Wände

Das sind nämlich solche, die zwar nicht direkt eine Last vertikal abtragen, aber das Haus im Hinblick auf horizontal wirkende Kräfte stabilisieren.

"Aussteifende Wände sind scheibenartige Bauteile zur Gebäudeaussteifung oder zur Knickaussteifung tragender Wände. Sie gelten stets als tragende Wände, da sie neben Eigengewicht auch Lasten abtragen." [Quelle:www.lebensraum-ziegel.de]


Ich stelle mir das als Nicht-Statikerin so vor: Das Haus muss in alle horizontalen Richtungen stabil sein, wenn jemand oder etwas (Wind zum Beispiel) gegen eine Außenwand schiebt oder an ihr zieht. Daher machen Innenwände, die parallel zu den Deckenbalken stehen plötzlich doch Sinn.

Dann gibt es auch noch die Knickaussteifung. Ich kann es in Worten nicht erklären, aber das hier trifft es.

Nach all dem war mir klar: Die Wand muss wieder rein. Wenn auch nur zum Teil, denn "Aussteifende Wände müssen mindestens eine wirksame Länge von 1/5 der lichten Geschosshöhe hs und eine Dicke von 1/3 der Dicke der auszusteifenden Wand, jedoch mindestens 115 mm, haben." [Quelle wie oben]

Gemauert hatte ich bisher noch nie. Los geht's!

Wand mauern

Planziegel hatte ich noch im Keller. Zement, Weißkalkhydrat und Sand ebenso.
Eine Mörtel mit einer Mischung Zement:Kalk:Sand von 1:2:6 ist für alle Mauerarbeiten zugelassen.
Die aussteifende Wand muss in meinem Fall mindestens 48cm lang sein (240/5, siehe oben). Meine Planziegel sind je 30cm, also wird sie 60 cm lang.

Bei einem stumpfen Anschluss der Zwischenwand müssen Maueranker verwendet werden. Diese verbinden die Zwischenwand mit dem vorhandenen Mauerwerk.
Man kann nun hier Edelstahlverbinden kaufen und diese in die vorhandene Wand dübeln. Nur muss man hier auch wieder die "richtigen" Dübel und Schrauben verwenden, sonst bringt das alles nichts.

Ich habe gelesen, dass man auch 8mm Rippenstahl verwenden kann. Da ich keinen Rippenstahl habe, habe ich ersatzweise sehr dicke Nägel genommen. Diese werden in jeder zweiten Lage in die Fuge eingearbeitet. So kann die neue Zwischenwand quasi seitlich nicht umfallen. Würde man beide Wände - die ausZUsteifende und die ausssteifende - neu mauern, würde man hier eine Verzahnung herstellen. Das wollte ich nicht. Hätte ich ja die Außenwand auch erst einreien müssen.... ;)



Ich bin keine Statikerin und ich weiß, dass das Rausnehmen der Wand Murks war. Aber es hatte ja nun viele Jahre gehalten und ist jetzt in jedem Falle besser als vorher. Ein Teil der kleinen Zwischenwand steht nun schon. Meine Tochter findet es seh faszinierend.

 
 
Wenn diese Wand steht, wird die Decke noch besser abgefangen. Hier steht nämlich mittig doch tatsächlich noch ein einsamer vertikaler Balken im 1. OG.

Ich hoffe ich konnte das von Laien für Laien verständlich beschreiben. Es gibt leider wenig Informationen (die ich verstehe) mi Netz zu dem Thema. Aber viele Fragen. 

Hier gibt es noch einige Infos, die hilfreich sind.

Aus Fehlern lernen


Ich möchte hier niemanden dazu ermuntern in Eigenregie eine Wand zu entfernen. Alles, was sie aufgrund der Informationen in diesem Blog selbst bei sich zu Hause ausführen, tun sie auf eigene Gefahr. Bitte nicht zu Hause nachmachen, liebe große und kleine Kinder!! ;) 
Die Tätigkeiten, die ich hier ausführe, zum Beispiel auch die Entfernung einer anderen Wand vor ein paar Wochen, lasse ich mir mittlerweile immer von mehreren Handwerkern unabhängig voneinander "absegnen".
Ich stehe nach wie vor hinter dem was ich hier tue und meine bisherige Erfahrung sagt mir, dass man wirklich Vieles machen kann. Dann schaut man es sich eine Weile an. Beurteilt es mit neuem Wissen wieder neu. Reflektiert. Gesteht Fehler ein. Und dann macht man es nochmal. Und zwar besser.

Bei allem steht natürlich die Sicherheit für meine Tochter an erster Stelle. Dazu gehört natürlich auch das Absichern aller Kabeltrommeln und Verlängerungskabel mit Steckdosensicherungen...


 ... und das Ausstecken aller Geräte und Werkzeuge sobald ich nicht mehr arbeite. 

Kind und Baustelle ist für mich immer noch eine prima Kombination und ich frage mich wie andere Eltern ihre Kinder aufziehen ohne Baustelle ;-)

Bald geht's weiter mit meinen Parallel-Baustellen: Dielen schleifen im letzten Zimmer im EG. Dämmung der Außenwand mit Holzfaserplatten. Garten und neue Aussaat Methoden.....

So long,
Karl-Erwins Frau
 

2 Kommentare:

  1. Die Zusammenhänge der Statik von Gebäuden sind schön anschaulich beschrieben. Ob die dicken Nägel einer rechnerischen Überprüfung standhalten ist für mich die Frage, aber Hauptsache das Ganze hält... Vor vielen Jahren sagte uns mal ein Architekt: "da ist das Material wieder mal schlauer als die Statik..."
    Theoretisch könnte auf die lange auszusteifende Aussenwand nicht nur Winddruck, sondern auch Windsog einwirken, dann würden die Nägel einfach gezogen werden, oder? Daher der Rippenstahl, der natürlich satt vermörtelt werden muss und sich dann quasi festkrallt.
    Herzliche Grüsse Thomas Schicker

    AntwortenLöschen
  2. Hallo Thomas, danke für das Lob. Freut mich, dass ich es soweit verstanden habe um es verständlich widergeben zu können.
    Bezüglich des Windsogs und des nicht so idealen Einsatzes der Nägel hast du natürlich recht. Die frühere Wand stand hier auch nur mit stumpfem Stoß drin. Daher halte ich es für ausreichend und in jedem Fall besser als vorher.
    Beste Grüsse,
    KEF

    AntwortenLöschen